Spinning / 23.06.2012 - 30.09.2012 / Internet
"In nationalen und internationalen Webportalen manifestiert sich die Idee einer öffentlichen Repräsentanz des Kulturerbes im Internet. Jenseits der engen Grenzen fachspezifischer Disziplinen wird die gesamte Breite digitaler Inhalte und Formate aus Museen, Bibliotheken und Archiven aggregiert, indexiert, semantisch angereichert und im unendlichen Kontinuum eines virtuellen "Musée imaginaire" abgebildet. Der Umgang mit kulturellen Ressourcen, Partizipation und Vernetzung gelten Mittlerweile als Eckpfeiler der zeit-, orts- und geräteunabhängigen Informationskultur und bietet zugleich eine Kooperationsplattform länderübergreifender Zusammenarbeit." [ EVA-Konferenz Berlin 2011: Elektronische Medien - Kunst, Kultur, Historie ]
Im Kommunikationsbereich bezeichnet Spinning die journalistische Vorgehensweise, Informationen mit einem vorteilhaften Dreh oder Spin zu versehen, um im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums eine besondere Position zu erzielen. Die Methode des Spinning nimmt Bezug auf die Rolle der Sophisten in der Antike, die durch ihre besondere Redeweise argumentative Prozesse in Gang setzten und somit als die ersten kommerziellen politischen Kommunikationsberater bezeichnet werden könnten. Aus diesem Verständnis als Mittler der Kunst, als Impuls zwischen Darstellung und konzeptueller Artikulation, versteht sich das Online-Projekt der Künstler des Atelierhaus e.V..
Das Projekt Spinning besteht aus einem künstlerischen und einem gestalterisch-technischen Anteil. Die Künstler des Atelierhauses haben exemplarische Formate entwickelt, die das Thema Online-Edition und die damit verbundenen Fragestellungen wie Verknappung und Edition eines auf Verfügbarkeit und Reproduzierbarkeit angelegten Mediums behandeln. Mit dem Projekt Spinning verorten und vernetzen sich die Künstler des Atelierhaus e.V. für den Zeitraum von 100 Tagen im World Wide Web.
KünstlerInnen: Rolf Bier, Maja Clas, Thomas Ganzenmüller, Christoph Girardet, Dirk Dietrich Hennig, Ute Heuer, Petra Kaltenmorgen, Andrea v.Lüdinghausen, Sebastian Neubauer, Christian Nolting, Frank Rosenthal, Bärbel Schlüter, Julia Schmid, Rüdiger Stanko und Anette Ziss
Rolf Bier / nothingeasiertodestroyaswhathasjustgrownintoshape / 2004 / 2012 / Wenn man die Sequenzen vor sich ständig ändernden Farbgründen wirklich zu lesen versucht, schält sich eine Sentenz heraus: diese handelt von den Energien und Gefährdungen künstlerischer und kultureller Produktion. Aber nicht nur. [ Rolf Bier ]
Maja Clas / Silent Light / besteht aus einer Bildsequenz, die das Thema des Bildermachens an sich behandelt. In collageartigen Anordnungen, die überwiegend aus Papierarbeiten in unterschiedlichen Formaten bestehen, kreist sie um die Grenzen und Möglichkeiten des Themas Bild.
Thomas Ganzenmüller / OVERBOARD / besteht aus einer zwanzigteiligen Fotoserie. Diese dokumentiert eine Schiffspassage, während derer sich ein Mann ins Meer stürzt. Dieser Vorgang wird durch mehrere Zeitungsberichte, deren Angaben leicht differieren kommentiert. Laut der unterschiedlichen Zeitangaben in den nachfolgenden Meldungen erfolgt der Sprung irgendwann zwischen 18.45 h und kurz vor 19.00 h ( CET / MEZ ). Der Mann kommt dadurch ums Leben. Einer seiner beiden Schuhe gelangt ins Meer, der andere bleibt an Bord.
Christoph Girardet / Weblinks / Ein Archiv mit ausgewählten Webseiten spiegelt unscharf die Identität von "Girardet". Die Weblinks führen zu Orten, Dingen und Ereignissen, zeigen Werke von Künstlern mit diesem Namen, oder folgen falsch buchstabierten Christoph Girardets.
Dirk Dietrich Hennig / Index.html / hinterfragt in seinem Beitrag Mechanismen der Kontrolle, Authentizität und Orientierung, die beim Benutzen des Internets eine immer größere Herausforderung darstellen. Was geschieht im Hintergrund während wir gerade lesen?
Ute Heuer / Ohne Titel_Fragment / untersucht und kombiniert mit den Mitteln der Malerei Motive der Zeit, Rhythmus und Bewegung. Zusammen mit dem Filmemacher Gerd Gockell wurden aus ca. 300 kleinen Tafelbildern Bildassoziationen hergestellt, die auf Bewegungssequenzen von Eadweard Muybridge verweisen. Grundlage hierfür waren einmalige Pinselzüge, die über schwarz oder weiß grundierte Bildtafeln gezogen wurden. Die unterschiedlichen Helligkeitsabstufungen wurden so arrangiert, dass die Wahrnehmung eine Bewegungssequenz assoziiert.
Petra Kaltenmorgen / 100 flowers / über den Zeitraum von 11 Tagen [ 28.3.-7.4.2012 ] wurde von mir ein Tulpenstillleben 100 mal zu unterschiedlichen Tageszeiten mit exakt der gleichen Kameraeinstellung [ Bl. 11, 1,5 Sek. Belichtungszeit, 100 ASA ] aufgenommen. Für die 100 Tage des Projektes wird täglich ein neues Foto zu sehen sein, das nur in der angegebenen Minute der Aufnahmezeit für den ersten Gast zum Herunterladen freigeschaltet wird.
Andrea v.Lüdinghausen / TRIPLE PLAY MOTION, June 2012 / Eine Studie zur unentwegten Suche nach Bedeutung. Auf visuelles Abtasten maßstabloser Ebenen folgt die Dokumentation plastischer Zustände im Atelierraum.
Sebastian Neubauer / recercher / Die Recherche als Aktion. Das Arbeiten als Projekt. Das Produzieren als Produkt. Diese Edition beginnt mit einer Frage über den Identitätsbegriff, eine Annäherung. Im Laufe der 100 Tage werden immer wieder Fragmente einer Suche herausgegeben und öffentlich gemacht.
Christian Nolting / 007 / 2002 Animation mit Stereosound / 5:25 min / 007 lotet das Spannungsfeld von hörbarer und sichtbarer Referenz aus. Das Fotografisches Vorbild ist ein Filmstill aus einem James Bond Film. In einer Art Tetris-Adaption baut sich aus verschiedenen Formen ein Bild zusammen, wobei die verschiedenen Farben durch ihre Helligkeit einer Tonhöhe zugeordnet sind. Das Bild wird zur Partitur, wobei die Musikalisierung, die aufgrund der bildlichen Vorlage immer wieder abreißt und neu einsetzt, zwischen Thema und Rhythmus wechselt.
Bärbel Schlüter / TOUR / In Ihrer Arbeit: TOUR verweigert sich Bärbel Schlüter dem ewigen Gedächtnis des Internets. Basierend auf der Fotografie einer Installationsansicht, verändert sich das Bild montageartig. Jeder Besuch der Seite öffnet eine neue Ansicht und leitet einen minimalen Umbau der Fotografie ein. Das einmal gesehene Bild kann kein zweites Mal geöffnet werden.
Julia Schmid / Rudeln / ermöglicht den Aufbau einer Sammlung von Wolfsbildern nach eigener Wahl, die zu einem jeweils individuellen Rudel zusammengestellt werden können. Im Laufe der 100 Tage werden Wölfe - lebend oder medial gesichtet - immer direkt auf dieser Seite auftauchen. Wölfe sind ständig unterwegs und überwinden große Entfernungen: sie verweilen daher auch an diesem Ort nur begrenzte Zeit. Jeder Wolf steht irgendwann innerhalb dieser 100 Tage mindestens 24 Stunden in druckfähiger Auflösung in Postkartengröße zum Download bereit.
Rüdiger Stanko / Elektrische Wanderer / Zwei den Schlagzeilen diverser Nachrichtenplattformen entnommene Begriffe werden durch Mausklick zufällig aktiviert und als Suchwörter für die Bildersuche bei Google eingesetzt. In den Visieren erscheinen dann die oft überraschenden Ergebnisse.
Anette Ziss / HEIMLICH / Komm in den totgesagten park und schau: [ Stefan George ]